1. Mobbing

Begriffserklärung

Mobbing ist eine spezielle Form von Gewalt und ein überaus schadhaftes, anti-soziales Verhalten mit lang anhaltenden und weit reichenden negativen Folgen für alle Beteiligten.

„Mobbing an Schulen“ ist kein neues Phänomen, findet aber zunehmend starke gesamt- gesellschaftliche Aufmerksamkeit. Die Begriffe Mobbing in der Schule (europäischer Sprachraum) und Bullying (angloeuropäischer Raum) werden meist synonym verwendet.

 

Wann liegt Mobbing vor?

Nicht jede Form von Gewalt und aggressivem Verhalten ist Mobbing. Die Grenze zwischen einer Konfliktsituation und Mobbing ist dann überschritten, wenn folgende Kriterien vorliegen:

Mobbing ist ein spezielles aggressives / gewalttätiges Verhalten, von einem oder mehreren Schüler/inne/n gegenüber einer Schülerin / einem anderen Schüler oder Schüler/innengruppe mit Schädigungsabsicht.

Die schädigenden Handlungen treten wiederholt, systematisch und über einen längeren Zeitraum auf.

Es besteht ein Ungleichgewicht im Kräfteverhältnis (physisch und / oder psychisch) zwischen Täterin/Täter und Opfer, das zu Ungunsten des Opfers ausfällt.

Die betroffenen Schülerinnen und Schüler fühlen sich der Situation hilflos ausgesetzt (vgl. Olweus, 1996: Spröber, Schlottke & Hautzinger, 2008; Alsaker, 2004; Wachs et al., 2016).

Erscheinungsformen von Mobbing

Mobbing in der Schule hat unterschiedliche Erscheinungsformen. Diese negativen Gewalthandlungen können sowohl direkt als auch indirekt ausgeführt werden (vgl. Schäfer, 2007; Grotpeter & Crick, 1996). Mobbing kommt in allen Altersstufen vor. Somit muss den Schülerinnen und Schülern schon im Grundschulalter bewusstgemacht werden, dass Mobbing als Gewaltakt gegen Schwächere sozial inakzeptables Verhalten darstellt. Dadurch kann der Verfestigung aggressiver Verhaltenstendenzen als Strategie zur Problemlösung vorgebeugt werden. (Vgl. Schäfer / Albrecht, 2004, S. 148). Es können folgende Erscheinungsformen unterschieden werden:

Diese Handlungen zielen darauf ab, eine Person körperlich zu verletzen, wie z.B. schlagen, treten, schubsen, eine Falle stellen.

Darunter fallen sämtliche verbale Attacken, wie z.B. Beschimpfungen, verbale Drohungen, gemeine Kommentare, sich über jemanden lustig machen.

Dabei steht das Zerstören sozialer Beziehungen und der sozialen Zugehörigkeit im Mittelpunkt der negativen Handlungen, z.B. das bewusste Hinausekeln aus der Gruppe, Gerüchte verbreiten, jemanden ignorieren.

Darunter versteht man jedes Verhalten, das von Individuen oder Gruppen mittels digitaler Medien ausgeführt wird und wiederholt über einen längeren Zeitraum hinweg feindselige oder aggressive Botschaften übermittelt, um Schaden zuzufügen. Cybermobbing stellt somit eine Verschiebung von gewalttätigen Handlungen in einen virtuellen Kontext dar und ist gekennzeichnet durch: die Allgegenwart der Wirkung (räumlich und zeitlich), die Möglichkeit, ein großes Publikum zu erreichen, die potentielle Anonymität des Täters / der Täterin, vermutete Sicherheit von Sanktionen, Mangel an emotionalem Feedback und wenig Kontrollmechanismen im Internet bzw. bei Mobiltelefonen (vgl. Slonje & Smith , 2008; Dooley, Pyzalski & Cross, 2009; Katzer, 2013). Nahezu alle Jugendlichen, die Gewalt mit digitalen Medien als Täter oder Täterin ausführen oder Opfer eines solchen Prozesses sind, sind auch in traditionelle Gewaltformen verwickelt (Gradinger, Strohmeier & Spiel, 2009, 2010, 2012; Strohmeier, Gradinger, Schabmann & Spiel, 2012).

Dazu gehören Belästigungen, Vorurteile, Anspielungen sowie abwertende Kommentare, die auf das Geschlecht bezogen sind und unterschiedliche Rollennormen verfestigen und damit im Gegensatz zum Unterrichtsprinzip „Erziehung zur Gleichstellung“ stehen (Grundsatzerlass GZ 15.510/60-Präs.3/95)

Ursachen

Die Beweggründe und Ursachen für Mobbing in der Schule sind vielschichtig. Beispiele hierfür sind: das Ausleben von Machtgefühlen, Statuserhöhung innerhalb der Gruppe, empfundene Provokation des Täters / der Täterin durch das Opfer, Langeweile, Spaß, Rache oder mitunter auch Frustration und eigene Mobbingerfahrungen. Darüber hinaus kann Mobbing in Schulen auch aus einem diskriminierenden ideologischen Hintergrund rühren. Minderheiten werden diskriminiert, vor allem lesbische, schwule, bisexuelle, transgender, transsexuelle sowie intersexuelle (LGBTI) Jugendliche an den Schulen bekommen das zu spüren (Swearer u. a. 2008 nach Wachs et al., 2016, Schoolmates-Studie). Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund werden häufig wegen ihrer Sprache, ihres Aussehens oder ihrer Herkunft gemobbt (Strohmeier, Atria & Spiel, 2005). Nicht selten hat Mobbing auch eine Gender-Dimension. In diesem Fall beziehen sich Kommentare und Abwertungen auf das Geschlecht der Person und ihr Verhalten und es werden dabei unterschiedliche Maßstäbe (Stichwort Rollenstereotype) angelegt (z. B. „Schlampe“, „Weichei“...).

Mobbing lebt von der Gruppendynamik

Mobbing ist ein kollektives Phänomen innerhalb einer Klasse oder Gruppe. Die Schülerinnen und Schüler nehmen bei Mobbing eine bestimmte Rolle ein („Participant role approach“, Salmivalli et al., 1996):

ergreifen die Initiative, um jemanden aktiv zu schikanieren, und übernehmen die Führungsrolle in der Gruppe.

orientieren sich am Verhalten des Täters / der Täterin und schikanieren aktiv mit. Sie unterschätzen oft die Auswirkungen der Attacken des Täters / der Täterin.

sehen bei Mobbing zu, lachen mit oder feuern den Täter /die Täterin an. Somit verstärken sie die Handlungen des Täters / der Täterin.

des Opfers stellen sich deutlich auf die Seite des Opfers und unterstützen es. Sie versuchen aktiv, etwas gegen die Attacken zu unternehmen.

sind jene Schülerinnen und Schüler, die zwar die Schikanen miterleben, sich aber aus der Mobbingsituation heraushalten und sich nicht einmischen. Sie tun nichts. Das passive Verhalten von Außenstehenden kann dabei als Billigung der Schikanen gewertet werden.

Welche Schülerin / welcher Schüler zum Opfer wird, ist nicht einfach auf einige Persönlichkeitsmerkmale zurückzuführen. Jede/r kann Opfer werden. Es hängt von der Zusammensetzung der Klasse, von den dort geltenden Normen und vom Verhalten der Lehrkräfte ab (Schäfer & Herpell, 2011).

Mit dem Begriff „Opfer“ ist zumeist eine Handlungsunfähigkeit verbunden. Häufig verlieren die betroffenen Schülerinnen und Schüler im fortschreitenden Mobbingprozess zusehends ihr Selbstvertrauen und zweifeln an sich und ihren sozialen Kompetenzen. Es ist aber für die psychische Gesundheit wichtig, dass sie sich auf Dauer nicht als Opfer erleben, sondern lernen auch in schwierigen Situationen handlungsfähig zu bleiben bzw. handlungsfähig zu werden. Daher empfehlen wir in den Gesprächen und im Rahmen der aktiven Auseinandersetzung im Mobbingprozess den Begriff „Betroffene und Betroffener“ anstelle des Begriffs „Opfer“ zu verwenden!

Die Rolle der Lehrpersonen

Lehrkräfte haben einerseits die Verantwortung, auf die körperliche Sicherheit und Gesundheit der ihnen anvertrauten Schülerinnen und Schüler zu achten (§ 51 Abs. 3 SchUG), andererseits haben sie auch Vorbildwirkung. Ihre Reaktionen auf Gewalttaten werden von den Schülerinnen und Schülern sehr genau wahrgenommen. Im Fall des Nicht-Einschreitens werden die Täter und Täterinnen in ihrem Tun bestärkt und die Betroffenen entmutigt, Hilfe zu suchen. Lehrpersonen können daher durch ihr Verhalten eine Mobbingsituation verhindern, aber auch (indirekt) begünstigen. Es ist eine große Herausforderung für Lehrerinnen und Lehrer, Mobbingsituationen möglichst frühzeitig zu erkennen.

Studien (Salmivalli, 1999; Schäfer et al., 2004) zeigen die Stabilität von Opfer- und Täter/innenrollen. Auch wenn z. B. ein gemobbtes Kind oder ein gemobbter Jugendlicher in eine andere Klasse versetzt wird oder wenn ein Täter/eine Täterin die Schule wechselt, bleiben sie meist in ihrer Rolle. Daher sind lösungsorientierte Auseinandersetzungen mit Mobbingvorfällen, die zur Auflösung des Mobbinggeschehens führen, unbedingt notwendig. Diese erfordern eine klare Positionierung der Lehrkräfte und gemeinsames Vorgehen.

Auswirkungen von Mobbing auf die Beteiligten

Unbehandeltes aggressives Verhalten in Schulen hat negative Konsequenzen auf die Lernleistungen und auf das Sozialverhalten aller SchülerInnen. Zudem beschädigt Mobbing die Wertehaltungen in der Klasse und zerstört die Klassengemeinschaft (Kindler, 2009). Daher ist es wichtig, die Präventions- und Interventionsarbeit auf alle Beteiligten zu richten und nicht nur auf „Opfer“ und „Täter/Täterin“. Die Tabelle zeigt mögliche physische, psychische und soziale Auswirkungen von Mobbing:

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